Heilende Narbe
“Manchmal braucht der Körper Jahrzehnte, um zu sprechen.
Ich kannte das Gefühl, anders zu sein und etwas zu verstecken.
Die Scham wuchs wie Wurzeln tief in meine Rippen, während ich lernte zu lächeln über das, was mir schwer unter der Brust lag.
Jahre vergingen wie Blätter im Wind.
Ich baute Festungen aus Scherzen um mein pochendes Herz.
Doch Schmerz kennt keine Zeit. Er wartet. Geduldig. In den Falten der Narbe, in den Schatten der Rippen.
Bis die Entzündung kam – ein Feuer, das rief: Erinnerst du dich? Was willst du nicht fühlen? Was will noch gesehen werden?
Plötzlich spürte ich alles: Die Einsamkeit des Kindes, die Angst vor Entdeckung, die Sehnsucht nach Annahme.
Heilung ist kein gerader Weg – sie verläuft in Spiralen durch die Zeit, kehrt zurück zu dem, was berührt werden will.
Heute stehe ich vor der Kamera – nicht mehr versteckt, sondern enthüllt.
Die Narbe ist warm unter dem Licht, sie pulsiert mit Leben, erzählt nicht von Verlust, sondern von Mut.
Wo früher Scham lebte, wohnt jetzt Stolz. Wo früher Schweigen herrschte, spreche ich die Wahrheit.
Das Licht fällt anders auf geheilte Wunden – es verwandelt Narben in Landkarten der Liebe.
Was gesehen werden will, wartet geduldig in den Schatten unseres Körpers – bis wir bereit sind, hinzuschauen.“
© Jona


















